? Strahlenwirkung und Strahlenschutz ?

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  Frage:
Wie wirken sich ionisierende Strahlen auf den Menschen aus ?


Kurzantwort

Die auf die Moleküle übertragene Strahlenenergie kann deren Bindungen aufbrechen (Ionisation) und dadurch chemische Strukturen verändern. Für die Folgen sind vor allem die Veränderungen von DNS-Molekülen (DNS = Desoxyribonukleinsäure, enthält alle genetischen Informationen für die Funktionsweise einer Zelle) mit späterer Entartung von Gewebe (Krebsentstehung) oder genetische Anomalien von besonderer Bedeutung. Die Auswirkungen der Schädigungen hängen von der Höhe der Strahlendosis ab. Kleine Dosen haben allerdings in den weitaus meisten Fällen wegen der sehr wirkungsvollen Reparaturvorgänge keine weiteren Folgen

Illustration
Ionisierende Strahlung trifft auf eine DNS-Molekül und bricht die chemische Struktur auf. Die DNS besitzt die Struktur einer Doppelstranghelix und ist aus fünf verschiedenen Bausteinen zusammengesetzt: A = Adenin, G = Guanin, C = Cytosin, T = Thymin, P = Phosphat. Es stehen sich stets G und C sowie A und T gegenüber. Die Gesamtlänge einer menschlichen DNS beträgt etwa 92 cm.


Erklärung

In lebenden Zellen werden Moleküle durch die Energie ionisierender Strahlen angeregt, oder es entstehen positiv und negativ geladene Ionen. Es können Bindungen aufgetrennt und chemische Strukturen verändert werden. Bei einer Dosis von 1 mGy können 4 bis 5 DNS-Schäden pro Zelle nachgewiesen werden. Je nach Ausmass des Schadens erfolgen vorübergehende Funktionsstörungen von Zellorganen, bleibende Funktionsschäden oder Zelltod. Durch die Veränderung von DNS-Molekülen kann in Gewebe Krebs ausgelöst oder genetische Anomalien erzeugt werden.

Die Zellen haben jedoch die Fähigkeit, Schädigungen infolge einer Strahlenwirkung in einem grossen Umfang zu reparieren, so dass in den weitaus meisten Fällen keine biologische Auswirkung eines Strahleneffektes zu verzeichnen ist. Die Reparatur von DNS-Schäden, welche durch ionisierende Strahlung hervorgerufen wurden, erfolgt innerhalb weniger Stunden vor allem durch Enzyme. Man unterscheidet zwischen Basenschäden (etwa 75 %), Einzel- (etwa 25 %) und Dopelstrangbrüchen (etwa 1 %). Dabei müssen z.B. die Schäden erkannt, herausgeschnitten und nach Ersatz eines komplementären Basenpaares (vgl. die Reihenfolgen in der Abbildung) die DNS-Kette wieder richtig geknüpft werden. Nicht reparierte bzw. falsch reparierte Dopelstrangbrüche werden als massgebend für die biologische Wirkung einer Strahlung angesehen.

Es wird unterschieden zwischen Frühschäden (Akutschäden, sogenannte deterministische Effekte) und Spätschäden (sogenannte stochastische Effekte). Als Mass für die Beurteilung eines Strahlenrisikos im menschlichen Körper dienen einerseits die Dosen in den Organen, welche für Akutschäden massgebend sind, und andererseits die effektive Dosis, welche das Risiko einer Krebsentstehung und von genetischen Schäden bewertet. Ein Akutschaden an einem Organ tritt erst oberhalb einer bestimmten Schwellendosis auf (deterministische Effekte, oberhalb eines Sv). Das akute Ausmass eines Strahlenschadens wird dabei durch die Dosis bestimmt. Im Gegensatz dazu können bereits bei kleinen Dosen Spätschäden auftreten. Erst Jahre nach einer Exposition (Latenzzeit) kann eine Strahlenwirkung erkennbar werden. In diesem Fall geht man nach heutigem Wissensstand davon aus, dass es dafür keine Schwellendosis gibt. Bei den sogenannten kleinen Dosen bestimmt das Risiko oder die Wahrscheinlichkeit, ob diese Art der Schädigung auftritt (stochastische Wirkung). Ältere Personen erleben einen möglichen Krebs wegen dessen langer Latenzzeit oft gar nicht.

Gemäss internationaler Empfehlungen (basierend vor allem auf der Datenauswertung von Hiroshima und Nagasaki) beziffert man das gesamte Risiko für tödlich verlaufender Krebs und Erbschäden (stochastische Strahleneffekte) auf 5 % pro Sievert. Wenn also eine Population von 1'000 Personen mit einer mittleren effektiven Dosis von 100 mSv exponiert wird, so muss theoretisch bei 5 Personen eine strahlenbedingte Schädigung in Form eines tödlichen Krebses oder einer genetischen Manifestation erwartet werden. Das Risiko einer Strahlenschädigung durch die natürliche Strahlenexposition von etwa 3 mSv pro Jahr beträgt während einer Lebenszeit von 70 Jahren somit rein rechnerisch 1 % (vergleichsweise dazu sterben ca. 25 % der Bevölkerung an Krebs, da vor allem andere Mechanismen und/oder Noxen für die Krebsntstehung verantwortlich sind).

Jakob Roth April 04


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