Ask the Expert

Radioaktivität in Möbelstücken aus der Ukraine

Frage:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe mit Aufmerksamkeit die beiden veröffentlichten Punkte zum Thema "Radioaktivität in Möbelstücken/ Ukraine-Holz" gelesen, da mich diese Frage ebenfalls beschäftigt. Wir haben für unser neues Haus Wohnzimmer- und Garderobenmöbel bestellt - am 01.04. werden die Möbel geliefert.
Jetzt meine Fragen in Ergänzung zu Ihren Ausführungen: wenn wir nun Gegenstände in diese (eventuell belasteten) Möbel-Stücke stellen oder Kleidung an der Garderobe aufhängen, wird dann dieser Gegenstand oder diese Kleidung auch kontaminiert und langsam im ganzen Haus und auch über alle Kleidungsstücke verteilt? Macht es Sinn, die gekauften Möbel mit Hilfe eines Geigerzählers zu überprüfen? Worauf muss ich bei der Wahl eines Geigerzählers achten (hier gibt es große Preisunterschiede) oder soll ich einen Profi die Messung vornehmen lassen? Geben die aufgestellten Möbel Radioaktivität an die Umwelt bzw. ans Haus ab und wie lange dauert es, wenn wir die Möbel wieder aus dem Haus entfernen, ehe das Haus wieder völlig "rein" ist? Hatte ich Sie richtig verstanden, dass es keine Belastung darstellt, wenn man sich im gleichen Raum aufhält, wie belastete Möbelstücke, wenn ich diese nicht berühre?

Antwort:
(Volker Grimm, stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Natürliche Radioaktivität (AKNAT); 07.04.2022)
Die Freisetzung des Cäsium-137 durch den Unfall von Tschernobyl ergaben im restlichen Europa spezifische Aktivitäten in Holz von bis zu 200 Becquerel pro Kilogramm. Diese Werte sind für die Verwendung des Holzes für Möbel unbedenklich. Dies konnten Sie bereits den Ausführungen "Ask the expert: Radioaktivität von Holz in Möbel vom 11.06.2018; Hartmut Schulze" entnehmen.
Konkrete Angaben zu spezifischen Aktivitäten von Cäsium-137 in Holz aus den Sperrgebieten rund um Tschernobyl liegen uns nicht vor. Die Strahlung des Cäsium-137 ist einfach zu messen, erhöhte spezifische Aktivitäten können z. B. mit Geigerzählern festgestellt werden. Das Cäsium im Holz ist in ihm fest gebunden, es kann nicht entweichen.
Es kann weder Ihre Haut noch andere Gegenstände im Haus kontaminieren.
Somit brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.

Transport von Bodenproben aus Fukushima:

Frage:

(Heinz Smital, Greenpeace, 19.10.2017)

Eine Bodenprobe aus Japan (Präfektur Fukushima) wurde in einem japanischen Labor getrocknet und gammaspektroskopisch untersucht. Die spezifische Aktivität (Cs-137 + Cs-134) beträgt 15.500 Bq/kg. Da es sich aber nur um 180 g handelt, ist die Gesamt-Aktivität 2790 Bq. Damit ist die Probe insgesamt betrachtet unterhalb der Freigrenze. Es soll auch eine Analyse auf Sr-90 durchgeführt werden und da die Labors in Japan, die das durchführen könnten, auf lange Zeit ausgebucht sind, sollte die Analyse in einem deutschen oder französischen Labor erfolgen. Nach meinem Verständnis der Freigrenze, ist für diese Probe somit auch der grenzüberschreitende Transport von Japan zu einem europäischen Labor nicht eingeschränkt, weil die Gesamtaktivität dieser Probe deutlich unter der Freigrenze liegt, ist die Probe kein radioaktiver Stoff.

Antwort:

(Dr. Jan van Aarle, Sekretär des Arbeitskreises Beförderung, 20.10.2017)

Radioaktive Stoffe im Sinne des Internationalen Übereinkommens zur Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR) oder mit der Eisenbahn (RID) sind Stoffe, die Radionuklide enthalten, bei denen sowohl die Aktivitätskonzentration als auch die Gesamtaktivität je Sendung die in den Absätzen 2.2.7.2.2.1 bis 2.2.7.2.2.6 ADR aufgeführten Werte übersteigt. Für Cs-134 und Cs-137 findet man in 2.2.7.2.2.1 ADR jeweils die Werte 10 Bq/g (Aktivitätskonzentration für freigestellte Stoffe) und 10.000 Bq (Aktivitätsgrenzwert für eine freigestellte Sendung). In der von Ihnen genannten Probe ist zwar die Aktivitätskonzentration für freigestellte Stoffe mit 15,5 Bq/g überschritten, da aber die Gesamtaktivität der Probe (180g) nur 2.790 Bq beträgt, fällt diese Probe nicht unter die Vorschriften zur Beförderung radioaktiver Stoffe auf Strasse oder Schiene. Für Sr-90 findet man in 2.2.7.2.2.1 ADR die Werte 100 Bq/g (Aktivitätskonzentration für freigestellte Stoffe) und 10.000 Bq (Aktivitätsgrenzwert für eine freigestellte Sendung). Wenn bei der von Ihnen genannten Probe einer der beiden Werte unterschritten ist, so stellt die Probe ebenfalls keinen radioaktiven Stoff im Sinne der Gefahrgutvorschriften (ADR oder RID) dar. Einschränkungen gibt es in den meisten Ländern beim Postversand. Entweder sind radioaktive Stoffe von der Beförderung vollständig ausgeschlossen, oder die erlaubte Gesamtaktivität ist deutlich geringer als die o.g. Aktivitätsgrenzwerte für freigestellte Sendungen.

Auch beim Lufttransport können Einschränkungen vorliegen. Grundsätzlich gelten im Luftverkehr dieselben Regeln bzgl. Freistellungen, aber viele Luftfahrtgesellschaften verbieten grundsätzlich die Mitnahme von gefährlichen Stoffen im Privatgepäck, unabhängig von Freistellungen. In den meisten Fällen muss man beim Online-Check-in bestätigen, dass man keine gefährlichen Stoffe mitführt. Ob eine Mitnahme erlaubt ist, muss man im Einzelfall prüfen.

Wir weisen darauf hin, dass sich der vorgenannte Sachverhalt nur auf die Beförderung radioaktiver Stoffe im Sinne des Gefahrgutrechts bezieht. Strahlenschutzrechtliche Voraussetzung für den Umgang mit radioaktiven Stoffen (Definition meistens anders als im Gefahrgutrecht) in den genannten Ländern sind davon unberührt.

Radioaktivität im Holz von Möbeln

1. Frage:

(Daniela Hardt, Berlin, 17.05.2018)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte meiner kleinen Tochter gern ein neues Bett kaufen. Sie hat sich ein Bett der Firma Lifetime und ein Bett der Firma De Breuyn ausgesucht. Lifetime produziert mit Massivholz aus Schweden, de Breuyn mit Massivholz aus der Slowakei. Nun meine Frage. Muss man sich bezüglich einer potenziell noch vorhandenen radioaktiven Strahlung im Holz Gedanken machen? Schließlich verbringt mein Kind ja mehrere Stunden pro Tag in Ihrem Bett. Ich stelle mir diese Frage ernsthaft. Es gibt kaum einen Massivholzhersteller von Betten der keine nordischen Hölzer oder Hölzer aus Bayern oder Österreich verwendet. Welches Holz in den MDF Produkten verwendet wird, kann man ja leider auch nicht sehen. Auf Nachfrage bei den Herstellern wurde mir gesagt, das (obwohl auf alle möglichen Schadstoffe) nicht auf Strahlenbelastung untersucht wird, da selbst wenn diese vorhanden wäre, so minimal wäre, dass Sie den Organismus nicht belasten würde. Ist das so korrekt? Kann ich bedenkenlos ein Bett dieser beiden Hersteller bestellen?

Antwort:

(Dipl.-Phys. Hartmut Schulze, Mitglied des Direktoriums, 11.06.2018)

Nach unseren Recherchen ist Holz weltweit mit einer durchschnittlichen Radioaktivität in Höhe von 2 bis 5 Becquerel pro Kilogramm versehen. Solche natürliche Radioaktivität ist in allen Stoffen vorhanden, selbst mit 5000 bis 10000 Becquerel in uns Menschen.

Infolge des Tschernobyl-Unfalls gelangte vor allem das künstliche Radioisotop Cäsium-137 in den Boden und wird von dort über die Wurzeln ins Holz transportiert. In Holz aus Schweden wurden bis zu 50 Becquerel pro Kilogramm und in Holz aus Österreich bis zu 200 Becquerel pro Kilogramm gemessen.

Ich habe für die Abschätzung zugrunde gelegt, dass Ihr Kind täglich 7 Stunden im Bett verbringt und das an 365 Tagen im Jahr. Wenn ich annehme, dass Ihr Kind innerhalb des Kinderbettes von fünf Seiten (links, rechts, vorn, hinten und unten) von jeweils 10 kg Holz umgeben ist, kann eine Dosis von bis zu 0,02 Millisievert pro Jahr bei einem Bett aus schwedischem Holz errechnet werden. Ein Bett aus österreichischem Holz ergibt eine Dosis von bis zu 0,1 Millisievert pro Jahr. Man kann sicherlich annehmen, dass das slowakische Bett mit einem österreichischen Bett verglichen werden kann.

Wie sind die Jahres-Dosiswerte in Höhe von 0,02 Millisievert und von 0,1 Millisievert zu bewerten? Sie wohnen in Berlin. Dort beträgt die durchschnittliche Dosis, der Sie und Ihr Kind immer ausgesetzt sind, etwa 0,6 Millisievert pro Jahr. Dieser Wert resultiert aus Gamma-Strahlung, die aus dem Kosmos, aus dem Erdboden und aus Baustoffen kommt. Falls Sie zum Beispiel in den Bayerischen Wald umsiedeln, erhöht sich Ihre Dosis auf ca. 1,5 Millisievert pro Jahr. Sollten Sie eine Flugreise über den Atlantik durchführen, erhalten Sie pro Flug eine zusätzliche Dosis von 0,1 Millisievert infolge höherer kosmischer Strahlung.

Grundsätzlich kann ich die Einschätzung, die Sie von den Bett-Herstellern erhalten haben, teilen, dass eine besondere Gefährdung durch Strahlung aus dem Holz eines Kinderbettes nicht zu besorgen ist.

Ich füge Ihnen ein paar Flyer hinzu, aus denen Sie Angaben zu Strahlendosen erhalten, denen wir alle ausgesetzt sind und die Ihre Entscheidung zu einem Kinderbett eventuell erleichtern.

Einatmen von Holzstaub

2. Frage:

(Daniela Hardt, Berlin, 25.09.2018)

Ich habe noch eine Frage zum Thema Radioaktivität. Ich habe mich final für das besagte Bett des nordischen Herstellers entschieden. Als ich den Lattenrost auspackte war dieser noch mit ziemlich viel Sägemehl vom Schleifen bedeckt. Das Holz ist nicht komplett lasiert. Mit großer Sicherheit hat sich davon Staub im Zimmer verteilt und ich habe auch etwas eingeatmet. Ich habe das Holz abgewischt. 

Meine Tochter wird ja regelmäßig auf dem Bett schlafen und könnte ebenfalls später noch Späne aufnehmen. Ist dies in Sachen radioaktiver Belastung problematisch oder ebenfalls unproblematisch? 

Vielen Dank und bitte entschuldigen Sie, falls die Frage komisch sein sollte. Mich beschäftigt das Thema doch sehr. 

Antwort:

(Dipl.-Phys. Hartmut Schulze, Mitglied des Direktoriums, 27.09.2018)

Sehr geehrte Frau Hardt,

haben Sie recht vielen Dank für Ihre Nachfrage. Sie brauchen sich dafür überhaupt nicht zu entschuldigen. Wir vom Fachverband für Strahlenschutz sind sehr daran interessiert, Fragen und Unklarheiten aufzugreifen und wenn möglich zu beantworten. Ihre Fragen zu den Kinderbetten sind sehr interessant. Ich kann Sie jedoch beruhigen. Es besteht weder durch das Schlafen im Bett noch durch das Einatmen von geringen Mengen Holzstaub eine Gefahr für Ihre Tochter.

Beim Einatmen durch Holzstaub spielt die Radioaktivität eine deutlich geringere Rolle im Vergleich zur Wirkung des Holzstaubes selbst. Bei letzterem sind aber vor allem die Bedingungen in holzbearbeitenden Produktionsstätten zu beachten. Dort ist ein Grenzwert von 2 mg/m³ (2 Milligramm pro Kubikmeter Atemluft) vorgeschrieben. Ohne Filterung können dort Werte bis zu 27 mg/m³ zum Beispiel bei Sägemaschinen vorkommen. Da können dann Reizungen von Nase und Hals bei Kiefern- und Fichtenholz oder auch Krebs bei Buchen- und Eichenholz auftreten.

Das sind aber alles Werte, die beim Staub, der am Holzbett Ihrer Tochter noch anhaftet, auch nicht annähernd erreicht werden können. Am besten können Sie dem entgehen, wenn Sie alle Holzteile mit einem feuchten Tuch vom Staub befreien.

Um trotzdem Ihrer Frage nach der Radioaktivität des Holzstaubes nachzukommen, folgende Abschätzung:

  • Sie haben ein Bett aus Schweden gekauft, dessen Holz Radioaktivität von bis zu 50 Becquerel pro Kilogramm enthalten kann.
  • Wenn in einem Produktionsbetrieb der Grenzwert für Holzstaub von 2 mg/m³ ausgeschöpft wird, dann atmet ein Arbeiter, der Ihr schwedisches Holz bearbeitet, dort eine Radioaktivitäts-Menge von 0,0001 Becquerel pro Kubikmeter Atemluft ein.
  • Ich weiß nicht, wie hoch die Holzstaub-Konzentration im Zimmer Ihrer Tochter wegen des Schweden-Bettes ist. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass sie nicht annähernd die Bedingungen in einem Holzbearbeitungsbetrieb erreicht. Also wird die Radioaktivitätsmenge um ein Vielfaches geringer sein als bei dem Holzarbeiter.
  • Im Übrigen ist die Radioaktivität, die wir ständig einatmen und die aus der Natur stammt, viel größer. Zum Beispiel sind ungefähr 10 Becquerel pro Kubikmeter von dem radioaktiven Gas Radon in der Luft im Freien enthalten. In Wohnungen sind das in Deutschland im Durchschnitt 50 Becquerel pro Kubikmeter. Dieses Radon kommt aus dem Erdboden und aus Baustoffen. Aus dem Kosmos kommende Strahlung erzeugt das Radionuklid Beryllium, das mit ungefähr 0,005 Becquerel in einem Kubikmeter Atemluft enthalten ist.

Sie sehen also, dass wir ständig von radioaktiven Stoffen in der Atemluft aber auch in der Nahrung und anderswo umgeben sind und dass wir diese Mengen ohne Weiteres verkraften. Die Radioaktivität im Holzbett Ihrer Tochter spielt dabei überhaupt keine Rolle.

Kontamination von Textilien aus Fukushima

Frage:

Vielleicht klingt meine Frage etwas merkwürdig. Ich sammle Fussballtrikots aus aller Welt und würde gerne wissen ob Trikots aus Indonesien und auch Japan Strahlenbelastet sein können aufgrund der Fukushima Katastrophen. Besteht hier eine Gefahr beim Import nach Deutschland?

Antwort:

Konkret kann man die Frage nicht beantworten, da man über die Herkunft der verarbeiteten Materialien aus unserer Fernsicht nur spekulieren kann.

Allgemein lässt sich jedoch folgendes feststellen: Indonesien ist ausreichend weit von Japan entfernt, sodass hier keine Kontamination durch radioaktive Stoffe zu befürchten ist. Fussballtrikots werden entweder aus  Baumwolle und/oder Kunstfasern gefertigt. Falls japanische Baumwolle verwendet wird, so kann man von sehr sorgfältigen Messungen ausgehen (siehe die Webseite der Firma Lush zu dem Thema Baumwolle https://www.lush.ch/story/BaumwolleausFukushimadieSaatderVeraenderung.aspx), so dass Sie in dieser Hinsicht beruhigt sein können. Bleiben als mögliche Quelle Kunstfasern. Unmittelbar nach dem Fukushima-Ereignis hatten einige Produkte einen erhöhten Anteil an radioaktiven Stoffen. Dabei handelte es sich i.d.R. um Produkte, bei denen ein hoher Durchsatz von Luft zur Herstellung erforderlich ist. Dies ist nach unserer Kenntnis für die Herstellung von Kunstfasern nicht der Fall. Darüber hinaus sind acht Jahre nach dem Ereignis in der Umgebungsluft von Fukushima keine erhöhten Werte radioaktiver Stoffe mehr festzustellen. Ihrem Sammlerhobby können Sie demnach in Bezug auf Indonesien und Japan aus unserer Sicht unbesorgt nachgehen. 

Kontamination von Tschernobyl-Holz

1. Frage:

Ich hätte eine Frage zum Gefährdungspotential durch Holzimporte aus der Umgebung von Tschernobyl. Hintergrund ist folgende Information vom WWF, zu finden auf Seite 17 der Broschüre "Illegaler Holzeinschlag und Deutschland" (http://mobil.wwf.de/fileadmin/user_upload/PDF/WWF_Holzimporte_April2008.pdf): "[...] in der Ukraine sind 3,5 Millionen Hektar Wald [...] so stark radioaktiv belastet, dass der Holzeinschlag gänzlich untersagt oder nur unter strengen Sicherheitsauflagen gestattet ist. Das gesamte legal geerntete Holz muss deshalb zusätzlich in radiologischen Labors der staatlichen Forstverwaltung auf Radioaktivität überprüft werden. Bei illegal eingeschlagenem und exportiertem Holz kann man nicht davon ausgehen dass eine derartige Überprüfung erfolgt, wodurch radioaktiv belastetes Holz auch auf den deutschen Markt gelangen kann."

Meine Frage dazu lautet: Gesetzt den Fall, ich hätte unwissentlich ein Möbelstück erworben, welches aus radioaktiv belastetem Holz aus der Sperrzone um Tschernobyl besteht. Ein Schrank, ein Tisch oder ein Bett zum Beispiel. Wie ist das daraus resultierende Gesundheitsrisiko zu bewerten? Und besteht dann aus Vorsorgegründen ein Handlungsbedarf? Was wäre Ihre Empfehlung?

Antwort:

Nach unseren Recherchen (siehe beiliegende Datei) ist Holz weltweit mit einer durchschnittlichen Radioaktivität in Höhe von 2 bis 5 Becquerel pro Kilogramm versehen. Solche natürliche Radioaktivität ist in allen Stoffen vorhanden, selbst mit 5000 bis 10000 Becquerel in uns Menschen.

 

Infolge des Tschernobyl-Unfalls gelangte vor allem das künstliche Radioisotop Cäsium-137 in den Boden und wird von dort über die Wurzeln ins Holz transportiert. In Holz aus der Umgebung von Tschernobyl waren laut der beiliegenden Datei im Jahre 2011 Werte von bis zu 4000 Becquerel pro Kilogramm denkbar. Durch den radioaktiven Zerfall des Cäsium-137 mit einer Halbwertszeit von ca. 30 Jahren gehe ich bei den folgenden Abschätzungen von maximal noch 3000 Becquerel pro Kilogramm im Jahre 2019 aus.

 

Ich habe für die Abschätzung den Fall des engsten und längsten Kontaktes mit Möbelholz zugrunde gelegt, nämlich das Schlafen in einem Bett aus Holz aus der Tschernobyl-Gegend. Dabei gehe ich davon aus, dass jemand täglich 7 Stunden im Bett verbringt und das an 365 Tagen im Jahr. Wenn man weiter annimmt, dass man innerhalb des Bettes von drei Seiten (vorn, hinten und unten) von jeweils 10 kg Holz umgeben ist, kann eine Dosis von bis zu 0,8 Millisievert pro Jahr errechnet werden.

 

Wie ist der Jahres-Dosiswert von 0,8 Millisievert zu bewerten? Die natürliche Strahlendosis in Deutschland beträgt im Durchschnitt 2,1 Millisievert pro Jahr. Dieser Wert resultiert aus Gamma-Strahlung, die aus dem Kosmos, aus dem Erdboden und aus Baustoffen kommt. Ein Bett aus Tschernobyl-Holz könnte diese Dosis im Maximalfall demnach auf einen Wert von etwa 3 Millisievert pro Jahr ansteigen lassen. Andere Möbelstücke würden wahrscheinlich zu geringerem Kontakt mit dem Holz führen und hätten damit auch geringere Dosiswerte zur Folge.

 

Ich empfehle Ihnen ergänzend die Infoblätter „StrahlenschutzKOMPAKT“ unseres Fachverbandes, denen Sie weitere Daten zu diesem Thema entnehmen können. Sie finden die Infoblätter hier: https://fs-ev.org/der-fs/oeffentlichkeitsarbeit/strahlenschutzkompakt/

2. Frage:

Antwort:

„Worst case“ ist zwar richtig, wenn man mit Holz aus der Tschernobyl-Region mit Holz aus anderen Regionen vergleicht, und es sollte tatsächlich nicht dazu kommen, dass illegal in der Tschernobyl-Region geschlagene Bäume ohne Kontrollen zu Möbeln verarbeitet auf den Markt kommen. Nur, was heißt „worst case“ oder was heißt 0,8 Millisievert pro Jahr zusätzlich? Bitte vertiefen Sie sich doch mal in die von mir empfohlenen weiteren Infoblätter https://fs-ev.org/der-fs/oeffentlichkeitsarbeit/strahlenschutzkompakt/ und vergleichen Sie, welche Strahlendosen wir uns mehr oder weniger freiwillig durch das Fliegen, durch medizinische Anwendungen durch Wohnen in Gebieten mit Radon aus dem Untergrund usw. selbst auferlegen oder welche Strahlendosen die Natur uns auf hohen Bergen oder in Gegenden mit z. B. Granit-Untergrund aufbürdet. Fakt ist jedoch: Die Radioaktivität im Tschernobyl-Holz hat keine natürlichen Ursachen, und deshalb können und müssen erhöhte Strahlendosen daraus durch Verzicht auf Verwendung für Wohnmöbel vermieden werden. Eine akute Gesundheitsgefahr entsteht dadurch jedoch nicht.

Wegen der Frage zur Strahlungsmessung am Möbelstück verweise ich auf die für jedes Bundesland existierende Landesbehörde. Meist heißen diese Behörden Landesamt für Umwelt usw. oder so ähnlich. Der Fachverband für Strahlenschutz kann solche Dienstleistungen nicht anbieten.

Strahlendosis in Japan

Frage:

Ich habe ein Angebot meines Arbeitgebers für einige Zeit nach Tokio zu wechseln – und meine Familie und ich überlegen nun, ob dies aus strahlungsbelastender Sicht ratsam ist.
Besteht die Möglichkeit über Ihren Verband eine Einschätzung zu bekommen?
Falls ja, die Rahmendaten sind wie folgt:
Dauer des Assignments ist 3 Jahre. Meine Familie (meine Frau, unsere Kinder 5 Jahre und 1 Jahr) würden mich begleiten.
Unsere Frage ist, inwieweit dieser Aufenthalt bedenklich oder unbedenklich hinsichtlich des Unglücks in Fukushima ist.
Wir überlegen insbesondere natürlich hinsichtlich Nahrungsmittel, Leitungs-/bzw. Trinkwasser, etc.
Auch überlegen wir uns, ob es besondere Risiken für Kinder gibt und/oder was man ggf. gesondert beachten muss.
 

Antwort:

Im Folgenden die Zusammenfassung der Präsentation von Prof. Michel mit dem Titel «Strahlenexposition in Japan 2 Jahre nach dem Unfall von Fukushima»:

  • In Japan ist die natürliche Strahlenexposition geringer als in Deutschland.
  • Außerhalb der Präfektur Fukushima liegen die Werte der natürlichen plus der unfallbedingten Strahlung im Schwankungsbereich der natürlichen Strahlenexposition in Deutschland.
  • Die Radioaktivität von Nahrungsmitteln wird streng kontrolliert. Die Strahlenexposition durch Verzehr kontaminierter Nahrungsmittel ist selbst in der Präfektur Fukushima sehr gering; in den anderen Präfekturen ist sie vernachlässigbar.
  • Die Auswirkungen des Unfalls in Fukushima Dai-ichi sind lokal begrenzt. Bei Reisen in die Präfektur Fukushima ist den Anordnungen der Behörden Folge zu leisten.

Radioaktivität in Textilien aus Japan

Frage (14.09.2019, Steve Gruber)

Ich sammle Fussballtrikots aus aller Welt und würde gerne wissen ob Trikots aus Indonesien und auch Japan Strahlenbelastet sein können aufgrund der Fukushima Katastrophe. Besteht hier eine Gefahr beim Import nach Deutschland?

Antwort (Prof. Dr. Friedrich Hoyler, RWTH Aachen, Mitglied im Direktorium des Fachverbandes für Strahlenschutz, Prof. Dr. Clemens Walther, Universität Hannover)

Konkret kann man die Frage nicht beantworten, da man über die Herkunft der verarbeiteten Materialien aus unserer Fernsicht nur spekulieren kann. Allgemein lässt sich jedoch folgendes feststellen: Indonesien ist ausreichend weit von Japan entfernt, sodass hier keine Kontamination durch radioaktive Stoffe zu befürchten ist. Fussballtrikots werden entweder aus  Baumwolle und/oder Kunstfasern gefertigt. Falls japanische Baumwolle verwendet wird, so kann man von sehr sorgfältigen Messungen ausgehen (siehe die Webseite der Firma Lush zu dem Thema Baumwolle https://www.lush.ch/story/BaumwolleausFukushimadieSaatderVeraenderung.aspx), sodass Sie in dieser Hinsicht beruhigt sein können. Bleiben als mögliche Quelle Kunstfasern. Unmittelbar nach dem Fukushima-Ereignis hatten einige Produkte einen erhöhten Anteil an radioaktiven Stoffen. Dabei handelte es sich i.d.R. um Produkte, bei denen ein hoher Durchsatz von Luft zur Herstellung erforderlich ist. Dies ist nach unserer Kenntnis für die Herstellung von Kunstfasern nicht der Fall. Darüber hinaus sind acht Jahre nach dem Ereignis in der Umgebungsluft von Fukushima keine erhöhten Werte radioaktiver Stoffe mehr festzustellen. Ihrem Sammlerhobby können Sie demnach in Bezug auf Indonesien und Japan aus unserer Sicht unbesorgt nachgehen.

Bewohnbarkeit von Gegenden mit nuklearer Katastrophe

Frage

Bewohnbarkeit von Gegenden, in denen eine "Atomkatastrophe" (Bombenabwurf Hiroshima oder Rekatorunfall Tschernobyl) unmittelbare Auswirkungen hinterlassen hat.

Antwort (25.11.2019, Prof. Rolf Michel, Universität Hannover)

Der wesentliche Unterschied zwischen einer Kernwaffenexplosion und dem Unfall von Tschernobyl liegt in der Ausbreitung der freigesetzten Radionuklide. Bei einer Kernwaffenexplosion werden alle Radionuklide überwiegend in große Höhen (> 10 km) transportiert, dann mit den Luftmassen verfrachtet und später wieder als Fallout abgelagert. Bei Kernwaffen mit einer Sprengkraft von 10 – 20 kt TNT (Hiroshima und Nagasaki) ist der lokale Fallout gering. Wie Sie sagen, sind Hiroshima und Nagasaki frei zugänglich. Erhöhte Dosisraten sind nicht mehr zu messen.

Anders sieht das aus, wenn es sich um Explosionen im Mt Bereich handelt z.B. Bikini). Dann kommt es neben dem globalen Fallout auch in der näheren Umgebung zu starken Kontaminationen, die hohe Dosen bis hin zur Strahlenkrankheit bewirken können (googeln Sie z.B. Fukuru Maru).

In Tschernobyl war die Sache komplizierter. Durch Explosion und anschließendes Feuer fand sowohl bei der Freisetzung als auch beim atmosphärischen Transport der Radionuklide eine starke Differenzierung zwischen leicht, mittel und schwerflüchtigen Elementen statt. Die Schätzungen der Freisetzungshöhe in der ersten Explosion lagen bei etwa 1000 m. Als Folge blieben schwerflüchtige Elemente wie Strontium und Plutonium überwiegend in der näheren Umgebung (ca. 10 – 20 km), während die Iod- und Cäsium-Isotope weiträumig verfrachtet wurden. So kommt es, dass in größerer Entfernung (auch aufgrund des radioaktiven Zerfalls des Cs-137) zunehmend kontaminierte Gebiete wieder freigegeben werden können. Man nimmt in der Ukraine ein Kriterium einer zusätzlichen Dosis von 1 mSv pro Jahr.

In der näheren Umgebung des havarierten Reaktors, der sog. Sperrzone im 10 – 20 km Umkreis um den Reaktor, sind die Ortsdosisraten teilweise noch hoch (20 mikroSv pro Stunde misst man leicht in Pripyat). Zusätzlich hat man hohe Kontaminationen mit Sr-90 (> 100 kBq Sr-90 pro Quadratmeter), den Plutonium-Isotopen (z. B. > 4 kBq Pu-240 pro Quadratmeter) und Am-241 (> 100 kBq pro Quadratmeter).

Die Ortsdosisleistungen in der Sperrzone lassen durchaus einen Besuch dort zu. Auch einige Rückwanderer leben dort, die sich auf die – nach Ukrainischem Recht bestehende – freie Wahl des Wohnortes berufen haben und für deren Versorgung in gewissem Rahmen gesorgt wird. Die Arbeiter in der Sperrzone arbeiten als beruflich strahlenexponierte Personen gemäß den Ukrainischen Strahlenschutzstandards.

Aufgrund der hohen Kontaminationen mit Sr-90 und den Aktiniden ist eine landwirtschaftliche Nutzung und ein Leben als bäuerlicher Selbstversorger langfristig in großen Teilen der Sperrzone nicht möglich. Es wird aber diskutiert, ob eine landwirtschaftliche Nutzung möglich ist, bei der die Produkte nicht direkt zum menschlichen Verzehr genutzt werden: Herstellung von Biosprit, Wodka, etc.